AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN
Die wichtigsten zivilrechtlichen Entscheidungen für Sie kompakt dargestellt
AKTUELLE URTEILE VERSTÄNDLICH ZUSAMMENGEFASST
Wir stellen Ihnen hier wichtige aktuelle Urteile, Rechtsprechungen und juristische Beiträge aus dem Bereich des Zivilrechts – verständlich zusammengefasst und auf das wesentliche reduziert – vor.
Landgericht Köln: Reservierungsgebühr nur bei Kaufvertragsabschluss
Oktober 2020
Teilurteil vom 26.08.2021 – Az.: 2 O 292/19
Mit Teilurteil vom 26.08.2021 hat das Landgericht Köln entschieden, dass derjenige, der an einer Eigentumswohnung interessiert ist und hierfür eine Reservierungsgebühr zahlt, diese zurückverlangen kann, wenn kein Kaufvertrag zustande kommt.
Nachdem der anberaumte Notartermin zunächst mehrmals wegen Änderungswünschen verschoben und später endgültig nicht stattfand, sprach das Landgericht Köln dem Kläger den Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr zu.
Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich aus bereicherungsrechtlichen Vorschriften. Insoweit führte das Landgericht aus, dass der Anspruch auf dem Gedanken beruhe, dass die Beteiligten grundsätzlich den künftigen Eintritt eines von der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit abweichenden besonderen Erfolges als Zweck einer Zuwendung und damit als Behaltensgrund vereinbaren können. Weiter der Behaltensgrund grundsätzlich auch fortbestehe, wenn die künftige und anvisierte Verpflichtung – hier der Kauf der Eigentumswohnung – nicht eintritt.
Die Reservierungsvereinbarung sei jedoch wegen Formnichtigkeit unwirksam, wenn sie nicht notariell beurkundet worden sei. Es bestehe ein innerer Zusammenhang zwischen dem Grundstückserwerbsgeschäft und der Reservierungsvereinbarung. Die Reservierungsvereinbarung stehe und falle mit dem Grundstückserwerbsgeschäft, sodass auch die Reservierungsvereinbarung der notariellen Beurkundungspflicht unterliege. Der Formmangel der Reservierungsvereinbarung kann wegen der später nicht mehr stattgefundenen notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrages auch nicht geheilt werden.
Mangels Vorliegens eines Rechtsgrundes in Form einer wirksamen Reservierungsvereinbarung ist die gezahlte Reservierungsgebühr zurückzuerstatten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
BGH: Sorgfältige Sachverhaltsaufklärung bei Eigenbedarfskündigung erforderlich
Juni 2019
Urteile vom 22. Mai 2018 – VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17
Vermieter können das Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen Eigenbedarf kündigen, wenn sie die Wohnung für sich oder andere benötigen. In den zwei vor dem BGH verhandelten Fällen wehrten sich eine 82 Jahre alte Mieterin und eine Familie gegen die gegen sie erklärte Eigenbedarfskündigung. Beide Mieter beriefen sich auf die Härtefallklausel des § 574 BGB, um trotz Eigenbedarf weiter in dem Mietobjekt wohnen zu können.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Entscheidungen seine Rechtsprechung zu der Frage präzisiert, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann (§ 574 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Da sowohl auf Seiten des Vermieters wie auf Seiten des Mieters grundrechtlich geschützte Belange (Eigentum, Gesundheit) betroffen sind, sind eine umfassende Sachverhaltsaufklärung sowie eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich, ob im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen (§ 574 Abs. 1 BGB).
Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, in denen generell die Interessen einer Partei überwiegen, lassen sich nicht bilden. So reicht etwa ein Attest, in dem der Arzt aus gesundheitlichen Gründen von einem Umzug abrät nicht mehr aus. Es wird für beide Parteien – Vermieter und Mieter – künftig viel aufwendiger, die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung bzw. das Eingreifen der Härtefallklausel zu begründen.
Keine vorvertragliche Pflichtverletzung bei Erhöhung des Grundstückskaufvertrages
März 2018
BGH, Urteil vom 13.10.2017, Az. V ZR 11/17
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 13.10.2017 entschieden, dass sich Grundstücksverkäufer – bei wahrheitsgemäßer Erklärung ihrer Abschlussbereitschaft – nicht schadensersatzpflichtig machen, wenn sie dem Kaufinteressenten nicht offenlegen, sich vorzubehalten, den Kaufpreis noch zu erhöhen. Im verhandelten Fall machte der Kaufinteressent einen Anspruch auf Schadensersatz für nutzlos gewordene Finanzierungsaufwendungen (Nichtabnahmeentschädigung des ausgehandelten Darlehens ggü. seiner Bank) geltend.
Eine Treuepflichtverletzung des (potentiellen) Grundstücksverkäufers, die Voraussetzung für einen vorvertraglichen Schadensersatzanspruch ist, ist zu verneinen. Weiter stellten die Richter des Zivilsenats klar, dass Verkäufer auch dann nicht auf Schadensersatz haften, wenn sie zu einem Zeitpunkt Abstand von dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages nehmen, zu dem sie wissen, dass der Kaufinteressent im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages bereits einen Finanzierungsvertrag abgeschlossen hat. Dem Grundstücksverkäufer steht es grundsätzlich frei, von seiner Verkaufsabsicht auch nach geführten Vertragsverhandlungen wieder abzurücken, da er an seine Erklärung mangels notarieller Beurkundung nicht gebunden ist. Eine Pflicht des Verkäufers, den Kaufinteressenten darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, von seiner Verkaufsabsicht abzurücken, besteht gerade nicht. Vielmehr muss dem Kaufinteressenten klar sein, dass der Verkaufswillige bis zur Beurkundung des Kaufvertrages (§ 311b BGB) nicht gebunden ist und es diesem freisteht, seine Verkaufsbereitschaft aufzugeben oder zu modifizieren, so der BGH.
Wirksamkeit eines „Drei-Zeugen-Testaments“
August 2017
OLG Köln – Urteil vom 05.07.2017, Az. 2 Wx 86/17 (Erscheinungsdatum 29.8.17)
Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass ein Nottestament, das vor drei Zeugen verfasst wurde, unwirksam ist, wenn der Sohn oder die Tochter des/der Lebensgefährten/in, die als Alleinerbin eingesetzt ist, daran mitgewirkt hat.
Das OLG Köln hat hiermit das vorinstanzliche Urteil bestätigt.
An sich kann ein Nottestament in Form eines „Drei-Zeugen-Testaments“ erstellt werden, wenn der Sterbende nicht mehr in der Lage ist, das Testament selbstständig schriftlich zu verfassen. Gemäß § 2250 BGB haben hierbei mindestens drei Zeugen den mündlich zu erklärenden letzten Willen des Sterbenden in einer Niederschrift festzuhalten. Ein solches Testament ist zulässig, wenn sich der Sterbende in einer so nahen Todesgefahr befindet, dass ein Testament vor einem Notar oder ein Nottestament vor einem Bürgermeister nicht mehr rechtzeitig errichtet werden kann.
Die Richter stellten aber klar, dass ein solches Testament nicht wirksam erstellt werden könne, wenn einer der drei Zeugen ein Kind oder anderer Verwandter des Sterbenden sei, der durch das Testament einen rechtlichen Vorteil erhalte.
Da im vorliegenden Fall für die Beurkundung nur noch zwei Zeugen zur Beurkundung des letzten Willens anwesend waren und das deutsche Erbrecht kein „Zwei-Zeugen-Testament“ kenne, ist das Testament nicht wirksam zustande gekommen. Somit ist die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung gekommen.
Verkehrsrecht: Schaden muss bei Kaskoversicherung zeitnah gemeldet werden
September 2017
OLG Hamm, Urteil vom 21.06.2017, Az. 20 U 42/17 (Erscheinungsdatum: 17.9.17)
Die Vollkaskoversicherung kann berechtigt sein, eine Entschädigungszahlung wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit zu verweigern, wenn der Versicherungsnehmer – in Kenntnis der ihm obliegenden Anzeigepflicht – seinem Kaskoversicherer einen Unfallschaden erst knapp sechs Monate nach dem Verkehrsunfall mitteilt.
In dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall hatte der Kläger seinen Porsche beim beklagten Versicherer kaskoversichert. Nachdem der Kläger – nach eigenen Aussagen – zunächst versuchte, den unfallflüchtigen Schädiger zu ermitteln und in Anspruch zu nehmen, hatte er den entstandenen Schaden erst ein halbes Jahr nach dem Unfall bei seiner Versicherung gemeldet. Der Kaskoversicherer selbst vertrat die Auffassung, dass er mittlerweile leistungsfrei geworden sei.
Die Richter des Oberlandesgerichts Hamm bestätigten das Urteil des Landgerichts Essen und stellten fest, dass der Kläger sich konträr zu den Versicherungsbedingungen verhalten und es versäumt hat, den Schaden innerhalb einer Woche gegenüber dem Versicherer anzuzeigen.
Für diese Auffassung spricht zum einen das Interesse des Versicherers. Mittels einer zeitnahen Meldung des Schadens soll dem Versicherer die Möglichkeit geschaffen werden, eigene Ermittlungen anstellen zu können. Darüber hinaus entspricht es der Verkehrsauffassung, dass ein Schaden immer zeitnah dem Versicherer zu melden sei.
Mithin ist man bei einem Unfall neben der selbstständigen Ermittlung des Schädigers immer auch verpflichtet, dem Schaden gegenüber dem Versicherer zeitnah geltend zu machen.
Fahrverbot für Dieselautos droht – Gericht urteilt pro Umweltschutz
Juli 2017
VG Stuttgart – Urt. v. 28.07.2017, Az. 13 K 5412/15
Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 28.07.2017 entschieden, dass das Land Baden-Württemberg mehr gegen die Luftverschmutzung aufgrund des hohen Ausstoßes von Stickstoffdioxid durch Kraftfahrzeuge tun muss. Ein Fahrverbot für Autos mit Dieselmotoren in Stuttgart erscheint möglich.
Gemäß § 47 Abs. 1 S.1, 3 BImSchG ist ein Luftreinhalteplan aufzustellen oder fortzuschreiben, wenn die einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Die Richter des Verwaltungsgerichts entschieden, dass auch ein Verbot von Diesel-Fahrzeugen im Stadtbereich von Stuttgart nicht gegen § 47 Abs.4 S.1 BImSchG verstoßen würde.
Nach der Auffassung des Gerichts verstößt ein solches Verbot insbesondere nicht gegen den im Grundgesetz in Art. 20 Abs.3 GG normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In dem Urteil machten die Richter deutlich, dass den Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Bürger Stuttgarts, die in der besonders immisionsbelasteten Umweltzone leben, dem grundrechtlich geschützten Eigentum und der allgemeine Handlungsfreiheit der von dem Fahrverbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümern höheres Gewicht zu kommt und Vorzug zu gewähren ist. Mithin ist ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ein verhältnismäßiges Mittel, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren. Letztlich stellte das Verwaltungsgericht fest, dass eine Nachrüstung der Dieselfahrzeuge keine gleichwertige Handlungsalternative zum Fahrverbot sei.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgarts war die erste Entscheidung zu dieser Thematik. In zahlreichen anderen Großstädten sind ähnliche Verfahren anhängig. Das Land Baden-Württemberg prüft, ob es in Berufung geht. Es bleibt also spannend, ob es tatsächlich zu einem Dieselverbot oder die Entscheidung noch abgewendet werden kann.
Grenzen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Mai 2017
BGH Urt. v. 03.04.2017 – Az. XII ZB 415/16
Der für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit der Frage befasst, in welchem Umfang die Eltern eine Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen.
Im entschiedenen Fall entschied der BGH, dass die Inanspruchnahme eines Vaters auf Ausbildungsunterhalt für ein Medizinstudium seiner zu Studienbeginn 26-Jährigen Tochter für unzumutbar. Vorliegend musste der Vater musste mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter nicht mehr rechnen.
Zwar umfasse der Kindesunterhalt gem. § 1610 Abs. 2 BGB auch die Ausbildungskosten. Diese seien auch nicht wegen einer „dazwischengeschalteten Ausbildung ausgeschlossen, wenn diese in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang zur angeschlossenen Lehre oder Studium stehe. Die Feststellung einer Unterhaltspflicht setzt stets eine Einzelfallwürdigung voraus. Brauche der Unterhaltsverpflichtete nicht mehr damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden, so entfalle seine Zahlungspflicht. Denn er muss sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen können, wie lange die Zahlungspflicht des Unterhalts noch andauern werde.
Preisvergleichsportale müssen besser informieren
April 2017
BGH Urt. v. 27.04.2017 – Az. I ZR 55/16
Internetpreisvergleichsportale müssen die Nutzer des Portals darüber informieren, dass bei einem Preisvergleich im Internet nur die Anbieter der gesuchten Waren und Leistungen berücksichtigt werden, die sich dem Betreiber des Vergleichsportals gegenüber bei erfolgreichem Vertragsschluss zur Zahlung einer Provision verpflichtet haben.
Die Karlsruher Richter stellten klar, dass die Verbraucher bei Nutzung eines Internetportals einen Überblick über den ganzen Markt erwarten. Dass das Portal nicht alle Anbieter am Markt präsentiert, stellt nach Auffassung des BGH eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG dar, die ein erhebliches Gewicht für die Entscheidungsfindung des Verbrauchers hat und über die der Portalbetreiber aufzuklären hat.
Die höchstrichterliche Entscheidung hat zur Folge, dass die Betreiber von Vergleichsportalen ihre Internetauftritte mit deutlichen Hinweisen auf die Provisionen ergänzen müssen, wenn sie damit Geld verdienen, damit der Verbraucher das Ergebnis des Vergleichs auf dem Internetportal besser einordnen kann.
Eltern haften beim Filesharing für ihre Kinder
März 2017
BGH Urt. v. 30.03.2017, Az. I ZR 19/16
Eltern müssen als Inhaber eines (Familien-)Internetanschlusses den Namen ihrer Kinder angeben, wenn diese im Internet auf Tauschbörsen Urheberrechtsverletzungen begangen haben, sogenanntes Filesharing. Tun die Eltern das nicht, haften sie selbst und müssen Schadensersatz zahlen. In diesem Fall ginge das geistige Eigentum der Plattenfirma dem Schutz der Familie vor, so der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Jedoch müssen Eltern nicht um jeden Preis nachforschen, wer die Rechtsgutverletzung begangen hat. Wenn die Eltern aber wissen, welches Kind es war, dann haben sie die Wahl. Entweder sie nennen die Namen des Kindes oder sie machen sich selbst gegenüber der Plattenfirma schadensersatzpflichtig.
Nutzungsentschädigung bei verspäteter Rückgabe des Mietobjekts
Januar 2017
BGH Urt. v. 18.01.2017, Az. VIII ZR 17/16
Mieter, die ihre Wohnung trotz wirksamer Kündigung nicht räumen, müssen mit hohen Nachzahlungen rechnen. Dies gilt auch dann, wenn sie die vertraglich vereinbarte Miete weiterzahlen. Der BGH konkretisierte in seinem Urteil vom 18.01.2017, was unter der Nutzungsentschädigung des § 546a Abs.1 BGB zu verstehen ist. Für die Dauer der Vorenthaltung der Mietsache kann der Vermieter nicht nur die vereinbarte Miete, sondern auch – wenn diese höher ist – eine für vergleichbaren Wohnraum ortsübliche Miete verlangen. Für die Bestimmung der ortsüblichen Miete ist allein maßgebend, was der Vermieter bei einer Neuvermietung der Wohnräume verlangen kann. Insbesondere für langjährige Mieter kann das teuer werden.